Zeugen Jehovas und Blut

 
   



     
    Wohl durch keine Lehre sind Zeugen Jehovas (ZJ) in der Öffentlichkeit so bekannt geworden wie durch das Verweigern von Bluttransfusionen. Immer wieder kommen ZJ auf tragische Weise bei medizinischen Eingriffen, insbesondere in Notfällen, zu Tode und werden von der Glaubensgemeinschaft als Märtyrer dargestellt. Fast alle ZJ tragen eine Patientenvollmacht (Blutkarte) mit sich, damit ihr Wunsch, kein Blut zu erhalten, im Notfall respektiert werden kann.

In "Erwachet" vom 22. Mai 1994 sind die Fotos von 26 Kindern abgebildet mit der Aussage, dass sie Gott an erste Stelle in ihrem Leben gesetzt haben. Diese Kinder starben aufgrund des Bluttransfusionsverbotes und eines Glaubens, der ihnen von klein auf eingeimpft wurde: dass das Gottes liebevolles Gesetz ist.

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Was steckt hinter dem Bluttransfusionsverbot?

Man beruft sich vor allem auf Apostelgeschichte 15:28-29, wo Lukas (der kein Augenzeuge des Konzils war) schreibt: Denn es hat dem Heiligen Geist und uns gut geschienen, keine größere Last auf euch zu legen als diese notwendigen Stücke: euch zu enthalten von Götzenopfern und von Blut und von Ersticktem und von Unzucht. Dieser Rückgriff auf die Gebote des Alten Testamentes bedeutete für die Zeugen Jehovas nicht etwa, für ihre Nahrungsmittel, wie die Israeliten, besondere Richtlinien anzulegen. Vielmehr hat sich das Bluttransfusions- verbot aus der ablehnenden Haltung gegenüber Impfungen aus dem frühen 20. Jahrhundert entwickelt (siehe Tabelle zur Geschichte).

Über Verbot von Impfungen redet heute keiner mehr. Als Relikt davon setzt man aber Bluttransfusionen mit dem Essen von Blut gleich und verbietet sie seit 1961 vollständig, unter Androhung des Gemeinschafts- entzuges (Ex-kommunikation). Dabei beharrt man auf einzelnen Bibelversen und ignoriert andere Aussagen in der Bibel, die ganz eindeutig dagegen sprechen (siehe Tabelle mit Bibelversen).


Apg. 15:18-29 Lukas (kein Teilnehmer des Konzils) gibt wieder, den Genuss von Götzenopferfleisch und Blut zu meiden.
Galater 2:6-10 Paulus, ein Augenzeuge des Konzils, schreibt, dass die anderen Apostel ihm nichts Zusätzliches auferlegt hätten, außer der Armen zu gedenken.
1.Kor. 8:1-10 Paulus erklärt das Essen von Götzenopferfleisch zur Gewissenssache.
Markus 7:19 Jesus erklärt alle Speisen für rein.



Dass diese Lehre in unserer aufgeklärten Gesellschaft nicht stringent durchzuhalten ist, erscheint logisch, wenn man z.B. an die Problematik der Behandlung der Bluterkrankheit denkt. So war früher das Blut mit all seinen Bestandteilen, außer dem Wasser, für einen Zeugen Jehovas tabu. Im Laufe der Jahre hat sich die Situation nach und nach geändert. Begonnen hat es mit Globulin und den Gerinnungsfaktoren (für die Behandlung von Blutern). Blut wurde in Hauptbestandteile (verboten) und Nebenbestandteile (erlaubt) aufgeteilt. Plasma-Proteine wurden ebenso zur Gewissenssache wie im Juni 2000 schließlich auch das Hämoglobin (Sauerstofftransport im Blut). Mit anderen Worten, ein Zeuge Jehovas darf mittlerweile 97-98% aller Blutbestandteile zu sich nehmen (siehe Grafik).

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Eine Tatsache, die den meisten Zeugen Jehovas unbekannt sein dürfte. Und mit der die offizielle Doktrin ad absurdum geführt ist, nach der sich ZJ des Blutes enthalten, weil die Bibel dies verbiete. Kurios: Die Übertragung von Blutplasma ist verboten, während alle Einzelbestandteile erlaubt sind. Ein Arzt müsste das Blut also erstmal auftrennen, um den Patienten angemessen behandeln zu können. Ebenso widersprüchlich ist die Tatsache, dass einem ZJ das Blutspenden verboten ist, während er aber die aus dem gespendeten Blut von Personen aus der organisierten Welt Satans gewonnenen Blutprodukte anstandslos bekommen kann.

Die Wachtturmgesellschaft beruft sich in dieser Frage häufig auf das Selbstbestimmungsrecht des Patienten. Worüber darf er aber selbstbestimmt entscheiden? Ein Zeuge Jehovas steht vor der paradoxen Situation, sich zwischen Tod oder Tod entscheiden zu müssen. Der Verzicht auf Blut kann sein Leben kosten, entscheidet er sich aber für die Transfusion, ist mit seinem grausamen Tod durch Jehova in der kurz bevorstehenden Endzeitschlacht zu rechnen, falls er seinen Schritt nicht bereut.

Wer aus der Bibel verbindliche Verhaltensregeln für Menschen ableiten will, tut gut daran, auch folgenden Vers zu lesen und den ihm innewohnenden Gedanken in sich aufzunehmen:

Und er sprach zu ihnen: Der Sabbat ist um des Menschen willen geschaffen worden und nicht der Mensch um des Sabbats willen (Markus 2:27).

Kleine Geschichte des Bluttransfusionsverbotes

1909 Der Gründer, C. Russell, bezeichnet Apg. 15:29 als Empfehlung.
1920-30: Anti-medizinische Geisteshaltung: Tollwut existiert nicht (1923), Keime verursachen keine Krankheit (1924), Impfungen sind nutzlos
(1931) Ärzte sind Vertreter Satans (1931), Impfungen verursachen Dämonismus (1931).
1935 Als Injektion tierischen Materials in den Blutstrom ist eine Impfung eine direkte Verletzung eines göttlichen Gesetzes.
1945 Bluttransfusionen sind heidnisch und gottentehrend.
1949 Ersatzteile für deinen Körper: Organtransplantationen sind Wunder Der modernen Chirurgie.
1960 Blut muss gemäß der Bibel ausgegossen werden. Eine Entnahme, Lagerung und spätere Rückführung ist unzulässig.
1961 Bluttransfusionen werden mit Gemeinschaftsentzug geahndet.
1961 Bei Bluttransfusionen können auch Persönlichkeitsmerkmale übertragen werden.
1967 Organtransplantationen sind Kannibalismus und keine Wunder der modernen Chirugie mehr.
1977 Blutbroschüre: Bluttransfusionen sind Organverpflanzung (also kein Essen von Blut!)
1978 Injektionen von Seren (z.B. Gerinnungsfaktor) sind wieder eine Gewissensfrage, nachdem sie 1958 erlaubt und 1963 verboten wurden!
1979 Organtransplantationen sind Gewissenssache (kein Kannibalismus mehr), Blut nicht (obwohl Organverpflanzung)!
1982 Aufteilung von Blut in Hauptbestandteile (verboten), Nebenbestand- teile (Gewissenssache).
1989 Eigenblutübertragung ist verboten. Herz-Lungen-Maschine als geschlossener Kreislauf aber erlaubt.
ab 1990 Neue Blutbroschüre: Bluttransfusion entspricht Essen von Blut. Einrichtung von Krankenhausverbindungskomittees (KVKs), spez. Beilage im Königreichsdienst, Ausgabe von Blutkarten.
1992 Ob Blut in Nahrungsmitteln ist, verdient für 'viele Christen' keine besondere Aufmerksamkeit (Essen!)
1997 Im Internet organisieren sich Reformbemühungen von Zeugen Jehovas: 'Associated Jehovah's Witnesses for Reform on Blood' (Eingetragen in der Linkliste).
1998 Artikelserie zu Problematik der Bluttransfusion bei Zeugen Jehovas im Journal of Medical Ethics (JME).
1998 Vereinbarung zwischen der WTG und Bulgarien vor der Europ. Kommission: ZJ als Religion anerkannt, med. Behandlung ohne Kontrolle und Sanktionen. Nach WTG-Presseerklärung hat sich nichts geändert.
1999 Weitere Artikel in Journals, JME veröffentlicht Darstellung von 'The Liberal Elder' (anonym, da Drohung von Gemeinschaftsentzug).
2000 Hämoglobin (Sauerstoff transportierendes Protein) wird erlaubter Bestandteil.
2003 Neues Formular für ZJ: Ergänzende Patientenverfügung und Vollmacht mit Betreuungsverfügung (Zustimmung zur Vergabe von Nebenbestandteilen zum Ankreuzen).



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